Tochter (30) in psychosomatischer Therapie

„Meine Tochter Nadine, 30 Jahre jung, im Versicherungswesen tätig, ist seit mehr als 8 Wochen in psychosomatischer Behandlung. Wenn ich mal nachfrage, wie die Therapie war, entgegnet sie mir, dass wir noch Einiges aufzuarbeiten hätten. Wie könnten wir einen gemeinsamen Weg zur Lösung finden?“

Das ist das Leid vieler Eltern, was Sie beschreiben. Sie möchten helfen, machen sich Sorgen – und fühlen sich in irgendeiner Art schuldig, weil das Kind leidet und eine Therapie macht. Dieses Nachfragen nach dem Erfolg oder den Inhalten der Therapiestunde spiegelt einerseits sicher Interesse, andererseits möchte man auch sein Gewissen beruhigen, dass „nichts Schlimmes“ an die Oberfläche gekommen ist und man doch „alles richtig gemacht hat“. Auch Kinder fühlen sich oft schuldig oder verantwortlich, wenn ein Elternteil in Psychotherapie ist (Kinder fühlen sich übrigens auch oft für die Scheidung der Eltern verantwortlich), aber meist nicht so stark, wie Eltern sich beunruhigt und beteiligt fühlen.

Eines sollten Sie nicht vergessen und immer im Kopf behalten: Therapie zu machen ist ein Zeichen von Gesundheit. Nur kranke Menschen reden abfällig über Psychotherapie oder merken nicht, dass sie selbst Hilfe bräuchten; sie haben so viel Angst vor Veränderung oder der Wahrheit, dass sie lieber leiden oder verdrängen. Ihre Tochter hat also sehr gesunde Anteile und ist sich bewusst, dass sie professionelle Unterstützung braucht. Sie können stolz auf Ihre Tochter sein… Das würde ich an Ihrer Stelle meiner Tochter auch sagen.

Der Satz Ihrer Tochter „wir haben noch Einiges aufzuarbeiten“ ist vielleicht ein Ablenkungsmanöver: freundlich, unverbindlich, abwimmelnd. Das könnte alles Mögliche bedeuten, deswegen sind Sie ja auch so beunruhigt. Es bedeutet aber im Klartext: „Mama, Papa, ich möchte jetzt nicht darüber sprechen“. Das müssen Sie akzeptieren, so gut ich auch Ihr Interesse verstehen kann. Sie wird von selbst auf Sie zukommen, da bin ich mir sicher; es gibt ja schließlich „Einiges aufzuarbeiten“. Bis dahin könnten Sie natürlich freundlich-liebevoll sich erkundigen, wie es ihr mit der Therapie geht, ob alles okay ist bei ihr, aber keine wirklichen Antworten erwarten, also nicht insistieren oder nachhaken.

Eventuell bedeutet der Satz Ihrer Tochter eine Ankündigung, dass sie in nächster Zeit gern etwas mit Ihnen besprechen möchte. Dabei würde es in erster Linie um eine Klärung, die Ihre Tochter wünscht und für ihre weitere Entwicklung braucht, gehen, nicht unbedingt um Sie. Ich entnehme Ihrer Frage, dass Sie Ihrer Tochter gern unterstützend zur Seite stehen wollen und dass Ihnen eine gemeinsame Lösung am Herzen liegt. Das ist eine wunderbare elterliche Haltung – nicht desinteressiert, aber auch nicht zu nah, sondern Raum lassend.

Sie könnten Ihrer Tochter sagen, dass Sie sehr an ihrer Entwicklung interessiert sind, aber auch verstehen, dass sie jetzt Zeit für sich braucht, und ihr anbieten, dass Sie jederzeit für sie da sind, wenn sie reden möchte. Das wäre ein schönes offenes Angebot ohne jeglichen Druck.

Ein Wort zur Psychosomatik. Wenn Ihre Tochter psychosomatisch erkrankt ist, dann bedeutet dies, dass sie ihr psychisches Leid auf die körperliche Ebene verschoben hat; dieser Prozess läuft unbewusst ab. Sie erlebt somatische Komplikationen, obwohl die Ursachen dafür psychisch bedingt sind, und die Zuordnung zu den psychischen Auslösern fällt ihr noch schwer. Die Auflösung der Konfliktlage zwischen Psyche und Soma ist eine bedeutende Aufgabe der Psychotherapie.

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