Zähneknirschen

„Meine Tochter, 31 und berufstätig, knirscht des Nachts mit ihren Zähnen. Sie hat mittlerweile alle zahnärztlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Jetzt wurde ihr auferlegt, eine feste Zahnspange zu tragen. Durch dieses Knirschen haben sich ihre Zähne schon so abgenutzt. Ich denke, das ist nicht der Ansatz zu einer Lösung – gibt es dahingehend psychologische Hilfe, die meine Tochter in Anspruch nehmen könnte?“

Ja, die gibt es. Für Bruxismus, die nichtfunktionale Benutzung des Kausystems, also abnormes Knirschen und Mahlen mit den Zähnen, werden als Ursachen verschiedene Aspekte diskutiert: angeborene Fehlstellungen des Gebisses, nicht perfekte Füllungen, Brücken oder Kronen und psychologische Faktoren, auf die ich mich im Folgenden beziehe. Die Aufbissschiene, die Ihrer Tochter verordnet wurde, ist eine konventionelle Behandlungsmethode, die oft angewandt wird. Die fortschreitende Abnutzung wird gestoppt, die Ursache jedoch wird nicht behoben; daher gebe ich Ihnen recht, dass eine nachhaltige Lösung nicht darin zu sehen ist.

Bruxismus wird oft als Stressreaktion angesehen und deshalb eindeutig als psychosomatische Störung eingeordnet.

Auch meiner Erfahrung nach liegt die Ursache für Zähneknirschen in unterdrückten Aggressionen, zum Beispiel zurückgehaltenem und nicht ausgedrücktem Ärger, Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation, Überbelastung und Stress. Und selbstverständlich ist dieses Verhalten unbewusster Natur; die betroffenen Menschen knirschen nicht bewusst willentlich nachts mit den Zähnen.

Eine erfolgreiche Behandlung muss daher an der Lösung der zugrunde liegenden Auslöser orientiert sein. Wenn also Ärger, den man nicht ausdrücken kann oder darf, der Grund ist, muss man Wege finden, es dem Menschen zu erlauben, dies zu tun. Ärger und Wut sind Gefühle, die besonders Frauen – vielleicht auch Ihre Tochter? – gern unterdrücken, weil man ihnen schon früh als kleinen Mädchen beigebracht hat, dass es sich „nicht gehört“, zu schreien, mit dem Fuß aufzustampfen, etc. Als Mädchen hat man nett, lieb, angepasst zu sein. Wenn man dann in Situationen kommt, in denen starker Ärger verspürt wird, wird das verinnerlichte „Auf-die-Zähne-Beißen-und-Durch“ unbewusst auf die Organsprache verschoben. Auch das Unbewusste Ihrer Tochter hat sich das Zähneknirschen ausgesucht, um sie aufmerksam zu machen, dass eine Veränderung ansteht.

Unzufriedenheit, Überbelastung und Stress müssen auch einen anderen Weg finden, sich zu äußern. Häufig sind Bruxismus-Patienten ausgesprochen selbstunsicher und trauen sich nicht, ihre Meinung laut zu sagen. Unbewusst knirschen sie nachts mit den Zähnen und fügen sich lieber selbst Schaden zu, als sich unbeliebt zu machen – weil sie glauben, sie machen sich unbeliebt, wenn sie ehrlich sind. Dabei ist oft das Gegenteil der Fall. Eine Beendigung des Zähneknirschens ist auch immer eine Frage der Selbstfürsorge.

Auf rein bewusster Ebene kann man Muskelentspannungen nach Jacobsen machen: Bewusst auf die Zähne pressen, dann Unterkiefer locker lassen und entspannen, das Ganze mehrmals wiederholen.

In einer Hypnotherapie liegt das Ziel darin, die unbewussten Gründe aufzuspüren und neue Verhaltensweisen auf den Weg zu bringen. Wenn man mit dem Unbewussten eine gute Kooperation herstellt, kann man sanfter und leichter arbeiten und neue Lösungen hervor bringen. Und bedenken Sie, dass eine Verschiebung auf die somatische Ebene in der Regel nur dann statt findet, wenn man das Unbewusste übergeht, ihm nicht zuhört und es achtlos an die Seite stellt.

Ich erkläre Bruxismus-Patienten gern, wie sie Selbsthypnose praktizieren können, denn Selbsthypnose fördert das Selbstmanagement und verbessert die Symptome. Auch von mir besprochene CDs mit hypnotherapeutischen Entspannungssuggestionen können tagsüber und zum Einschlafen genutzt werden und bahnen so den Weg zu individuellem Selbstmanagement. Und letztlich ist es ratsam, die Einstellung, die Angepasstheit fordert, so zu modifizieren, dass angemessener verbaler Ausdruck von Ärger und Unzufriedenheit erfolgt und der Stress nicht mehr unverdaut in den mahlenden Zähnen stecken bleibt.

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